Die geheimen Regeln der Interaktion….

Bluesky mal wieder und ich bin ehrlich gesagt etwas genervt. Nein, nicht über das Netzwerk beziehungsweise die Plattform an sich, sondern über einige Posts und Diskussionen der letzten Tage. Ich ging bisher davon aus, dass ein freundlich wohlwollender Umgang ausreicht, um grundsätzlich auch in diesem Netzwerk gut zurecht zu kommen. Aber in den letzten Tagen habe ich zuviele Posts gelesen, in denen Menschen andere Anforderungen an andere Menschen stellen. Anforderungen, die für mich nicht erkennbar oder nachlesbar sind und die ich für mich auch nicht nachvollziehen kann.

Bitte kein Quotepost
Es gibt Menschen, die mögen es nicht, wenn ihre Beiträge „zitiert“ werden, also als „Quotepost“ geteilt werden. Das kann man mittlerweile bei den einzelnen Posts einstellen, man muß es allerdings für jeden einzelnen Post (auch für die eigenen Antworten in einem Thread) immer wieder einstellen. Und zwar für die Antworten nach dem Posten, in dem man die Einstellungen ändert. Das ist mühsam und ich verstehe, dass es Menschen, die nicht zitiert werden möchten, stört.

Ich selbst mag Quoteposts und nutze sie durchaus relativ häufig. Oft, wenn ich etwas Schönes finde und darauf deutlicher hinweisen möchte als nur mit einem Repost, oft auch wenn ich zusätzliche Informationen (zum Beispiel einen Hinweis auf einen interessanten Thread) oder etwas Persönliches ergänzen möchte oder wenn ich auf einen inhaltlich interessanten oder wichtigen Post in einer fremden Sprache hinweisen möchte. Natürlich kann man Quoteposts auch für unschöne Zwecke nutzen – zum Anprangern beispielsweise. Das habe ich leider auch gelegentlich gesehen, aber dann kann man entweder noch die Einstellungen für den betroffenen Post ändern oder den-/diejenige blocken. Ohnehin läßt sich die Verwendung eines Bilds vom betreffenden Post nicht wirklich verhindern.

Bitte nur Drüko und keine Antwort
Das „Gegenteil“ von „kein Quotepost“ ist mir vor einigen Monaten schon begegnet. Jemand verbat sich – in einer Antwort – jegliche Antwort zu/unter den Posts und verlangte nur über „Drüko“ (also über „Quoteposts“) zu kommunizieren. An die Begründung kann ich mich nicht mehr erinnern. Das Problem war halt: ich habe es nicht gemerkt und wurde dann geblockt.

Bitte keine Antwort von Nichtfollowern
Auch die Frage, wer einem antworten kann, läßt sich mittlerweile einstellen. Vermutlich ist dieses Thema seitdem weniger oft ein Problem, zudem man jetzt auch private Nachrichten schicken kann. Ganz grundsätzlich kann ich den Wunsch, sich nur mit Followern auszutauschen nicht wirklich nachvollziehen. Ich habe sehr viel gelernt und sehr viele interessante und spannende Gespräche geführt, weil ich Menschen antworte, denen ich noch nicht folge.

Kein Repost von persönlichen Fotos
In der letzten Zeit habe ich gelegentlich mitbekommen, dass Menschen Fotos von sich selbst (und durchaus schöne Fotos) bei Bluesky einstellen und gleichzeitig nicht möchten, dass diese Fotos geteilt werden. Zur Zeit kann man einen Repost über die Einstellungen nicht verhindern. Der/die Postende veröffentlich also etwas, was – rein technisch – von allen Nutzer*innen geteilt werden kann. Und an dieser Stelle wird es für mich schwierig. Also grundsätzlich schwierig.
Nach meinem Verständnis ist jeder Post ein potentieller Gesprächsanlaß (im Juli 2018 habe ich dazu sogar einen eigenen Blogbeitrag geschrieben – damals ging es natürlich noch um Twitter) und damit auch eine Einladung zur Interaktion – wobei ich Interaktion eben freundlich wohlwollend verstehe. Eine Interaktion kann ein „Herz“ sein und damit meinen, dass ich etwas gesehen habe, eine Antwort – mit der ich den Post natürlich auch sichtbar mache, ein Repost weil ich etwas schön oder bemerkenswert finde oder – soweit nicht ausgeschlossen – ein Quotepost. Fotos teile ich persönlich eher selten – das hängt zum einen mit der Alttext-Thematik zusammen, zum anderen damit dass ich nur wenig auf Fotos achte. Aber (und das ist mir vorgestern und gestern noch einmal klar geworden): das Reposten eines Fotos weil ich es schön finde und weil ich mir wünsche, dass der/die Postende positive Reaktionen erhält, finde ich absolut nachvollziehbar. Wenn ich im Text zum Foto lese, dass ein Repost unerwünscht ist, dann achte ich natürlich auf diesen Wunsch. Ich merke mir aber nicht (oder nur in sehr wenigen Fällen) wer etwas nicht mag. Wenn ich also etwas nicht machen soll (kein Repost, keine Antwort, kein „was auch immer“), dann muß das tatsächlich im Post oder am Anfang eines Threads stehen. Ich sehe es sonst schlicht und einfach nicht und wenn ich es nicht sehe und ich mich nicht sehr zufällig daran erinnere, dann denke ich da nicht dran und das völlig ohne irgendeine böse Absicht.

Kein Repost von (sehr) persönlichen Inhalten
Wirklich verloren bin ich an dieser Stelle. Wenn ich etwas poste – auch wenn es sehr persönlich ist – dann habe ich mich sehr bewußt dazu entschieden, etwas mit Menschen zu teilen. Vielleicht etwas, das mich traurig macht, das mich belastet, das mir schwer fällt. Vielleicht auch (bei mir eher nicht vorstellbar) etwas Glückliches oder besonders Schönes. Ich treffe also sehr bewußt die Entscheidung, ob und was ich veröffentliche. Und mir ist sehr bewußt, dass Menschen darauf reagieren können. Als ich gestern las, dass man vor einem Repost eines (sehr) persönlichen Posts oder eines persönlichen Fotos nachfragen sollte – also sozusagen eine Zustimmung einholen – habe ich mich mit der Herangehensweise sehr schwer getan. Ich habe mich an Zeiten erinnert, in denen ich froh war, das Schweigen (zum Beispiel zum Thema Einsamkeit) durchbrochen zu haben und in denen ich für jede Reaktion aber auch für jedes Teilen (damals Retweet) dankbar war. Das Schweigen der vielen, die sich nicht mit mir oder mit meinen Themen abgeben wollten und die Antworten im Sinne von „wird schon, Du mußt nur daran glauben“ fand ich persönlich schlimmer als manche Fragen oder Kommentare von komplett Unbekannten. Aber das ist natürlich meine persönliche Sicht der Dinge.
Was ich tatsächlich auch schwierig finde: wann ist etwas so persönlich, dass Ihr tatsächlich Eure Zustimmung geben möchtet, bevor Menschen Euren Post teilen? Für mich gibt es da keine nachvollziehbaren Anhaltspunkte und die entsprechenden Posts enthalten auch keine Hinweise.

Wir machen alles richtig!
Wirklich verstörend fand ich die Haltung, die in machen Posts zum Tragen kam: „Wir machen alles richtig.“ Und ich fragte mich gestern, woher Menschen diese Sicherheit nehmen? Wie man „richtige“ und „falsche“ Kommunikation so einfach unterscheiden kann? Ich habe gestern versucht, das in einigen Antworten auszuführen – auch weil mich eine der Antworten mit dieser Haltung sehr getroffen hat (ja, mein Problem!). Aber da kam keine für mich nachvollziehbare Antwort, keine Nachfrage, kein Verständnis, kein Interesse an meiner Sichtweise. Einfach nur ein „lassen wir das so stehen“.
Und ja, natürlich kann ich das so stehenlassen. Aber in diesen wenigen Worten liegt auch ein „ich will kein Gespräch mit Dir“. Auch das hat mich getroffen – weil es an dieser Stelle und in diesem Ausmaß unerwartet kam. Es war kein „ich habe jetzt keine Zeit“ oder „gerne ein anderes Mal“ oder etwas Ähnliches. Es war einfach nur ein „kein Gespräch“.
Das ist in diesem Moment erst einmal ein weiterer Einzelfall. Aber es sind zuviele unterschiedliche Einzelfälle. Und natürlich kann ich die Beteiligten muten (was ich auch getan habe), damit ich auf keinen Fall Gefahr laufe, etwas zu reposten oder zu beantworten, das ich nicht reposten oder beantworten sollte. Mein kommunikatives Problem löst das logischerweise nicht. Letztlich empfinde ich diese stillschweigend vorausgesetzten Kommunikationsregeln als willkürlich. Ich kann sie nirgends sehen, nicht nachlesen, aber es folgen „Sanktionen“ (Blocken, unschöne Diskussionen), wenn Menschen sich nicht an diese stillschweigend vorausgesetzten Kommunikationsregeln halten.

Und nun?
Ich weiß es nicht. Mein Umgang mit Kommunikation paßt ganz augenscheinlich nicht zu diesen stillschweigend vorausgesetzten Regeln – ich kenne vermutlich ohnehin nur einen Bruchteil dieser „Regeln“. Damit ist klar, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis ich mich kommunikativ tatsächlich selbst auf Kollisionskurs befinde (gestern habe ich mich zwar geäußert, war aber von den Ereignissen ausnahmsweise selbst nicht betroffen). An einer Stelle schrieb jemand sinngemäß, dass man nur das tun solle, was man für sich selbst auch in Ordnung findet beziehungsweise von anderen erwartet. Das ist genau das Problem: das, was ich in Ordnung finde (und was ich mir in schwierigen Situationen sogar gewünscht hätte), das ist für viele von Euch ein Zeichen mangelnden Respekts und ein großer Faux Pas. Dieses Dilemma kann ich nicht lösen.